Der Pfarrer Andreas Wagner aus Fürstenstein im Dreiburgenland des Bayrischen Waldes hat immer wieder am Morgen seinen Kaplan auf nüchternen Magen gefragt: >Kooperator, freut dich das Leben?< (bairisch auszusprechen). Das hat auf den jungen Kaplan durchaus herausfordernd gewirkt. Der Pfarrer selber ist ein friedlicher Mann gewesen. Er hat neun Jahre im Krieg und in sowjetischer Gefangenschaft verbracht gehabt. Noch für den übelsten Zeitgenossen hat er Verständnis gezeigt: >Was muss ihm begegnet sein, dass er so geworden ist?< In unserem Weihejahrgang kursiert diese Erzählung immer wieder. Freut dich das Leben? Die Frage trifft ins Schwarze. Was freut denn unsereins? Dass einem das Essen und Trinken schmeckt? Dass ein Besuch kommt? Das ein Besuch wieder geht? Dass man in der Frühe aufstehen kann? Dass eine Arbeit erledigt ist? Eine Prüfung bestanden? Eine Stelle hergegangen ist? Freut einen der Feiertag? Der Werktag? Die Ferienzeit? Und dass sie wieder vorbei ist? – Es ist schon jedem Menschen zu wünschen, dass er sich freuen kann, an etwas oder über etwas, auf etwas oder nach etwas, trotzdem und immer wieder. Freuden kommen und gehen, sie sind abhängig von Gegebenheiten und Umständen. Kann einen das Leben freuen?
Im Evangelium spricht Jesus von seiner Freude und er nennt als Ziel seiner Verkündigung: >Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird<. >Dies habe ich euch gesagt<. - Was hat er gesagt? Hören wir es noch einmal: >Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!< (15,9). Das ist die Verkündigung Jesu: Jesus sieht sich in der Liebe des Vaters (1). Mit dieser Liebe liebt er die Seinen (2). Sie sollen in dieser Liebe bleiben (3). Jesus kommt aus der Freude, er lebt in ihr und ist von ihr erfüllt, von ihr beseelt und getragen. Seine Freude hat damit zu tun, dass er in der Liebe des Vaters bleibt. Jesus will, dass seine Freude in den Jüngern ist und dass sie deswegen in seiner Liebe bleiben sollen. Das ist der Witz von Glauben und Kirche, von Verkündigung und Christentum. Das Bleiben in seiner Liebe ist Grundlage für jede Soziallehre und Moral, für den Gottesdienst und die Sakramente, für das Regelwerk und die Tradition, für jedes Streben nach Vollkommenheit. Die Kirche wird dann zur Versammlung derer, die in der Liebe Jesu und damit in der Liebe Gottes bleiben. Jesus nennt sie seine Freunde nicht deswegen, weil sie so gut miteinander können, weil sie ein Freundeskreis sind, zu dem die einen gehören und die anderen nicht. Er nennt sie Freunde, weil er ihnen mitgeteilt hat, dass es um die Liebe geht, dass er ihnen damit alles gesagt hat, was er vom Vater weiß. Dieses „Wissen“ übersteigt jede kognitive und affektive und praktische Ebene. Jesus „weiß“, dass es um die Liebe Gottes geht, zuerst und zuletzt nur um sie. Weil wir Anteil haben an diesem Wissen Jesu und entsprechend leben, deswegen sind wir seine Freunde, wie nahe oder fern wir uns auch sonst stehen mögen.
Wenn die Freude in uns ist und wenn uns Jesus seine Freunde nennt, dann ist unser Leben schon sinnvoll und erfüllt, dann ist es in jedem Fall fruchtbar. Wer möchte nicht, dass sein Leben fruchtbar ist? Fruchtbar in Kindern und Enkeln, im Wachstum von Solidarität und Menschlichkeit, in der Zunahme von Ansehen und Erfolg? Wir wissen, wie gefährdet solche Fruchtbarkeit immer ist und dass viele daran wenig Anteil haben. Wer in der Liebe bleibt, dessen Leben bringt in jedem Fall Frucht. Es geht nicht verloren. Der Mensch geht nicht verloren. Wer sich von Gott und Jesus lieben lässt, für den braucht das Leben nie sinnlos sein. Auch wenn es äußerlich gesehen vergeblich scheint. Es ist schon sinnvoll, sich in der Frühe oder untertags oder am Abend zu fragen, ob man in der Liebe und deswegen in der unverlierbaren Freude lebt, zu Jesu Freunden gehört und Frucht bringt. Amen.
DK em. Josef Fischer am 6. Sonntag der Osterzeit, 05.05.2024