"Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab." So steht’s im Evangeliar, so haben wir es im Ohr. Im biblischen Text heißt es aber nicht >die Frauen<, sondern einfach nur >sie<. Wenn man wissen will, wer mit den >sie< gemeint ist, muss man zurückblättern zu den vorausgehenden Versen.
Da heißt es: >Die Frauen in seiner Nachfolge, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, sahen das Grab und wie der Leichnam bestattet wurde. Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Salben und Öle zu; am Sabbat ruhten sie zwar nach dem Gesetz<. Das zum „zwar“ passende „aber“ steht dann im heutigen Osterevangelium. Warum gebe ich dieser Einzelheit soviel Raum? Weil die Frauen nicht nur am Ostermorgen die Ersten am leeren Grab Jesu gewesen sind, sondern auch am Karfreitag die Letzten bei seiner Grablegung. Das mag auch eine Illustration sein für das Jesuswort: >Die Letzten werden die Ersten sein<. Ihre Liebe zu Jesus hatte den Frauen eingegeben, in Treue die Letzten zu sein. Dieselbe Liebe führt sie nun als Erste ans Grab.
Den Leib des Herrn Jesus finden sie nicht. Darüber sind sie ratlos, konsterniert, in einer Aporie. Erst recht greift Furcht nach ihnen, als zwei Männer bei ihnen stehen, in glänzendem Kleid, da blicken sie zu Boden. Dass wir oft genug ratlos sind und konsterniert und dass „es“ uns ausweglos scheint, das alles hat seinen Platz im Ostermorgen. Ja, was ist das: am Ostermorgen zu Boden blicken?
Aber die zwei Männer haben eine Anfrage an die Frauen: >Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?< Das hört sich nach Zurechtweisung an. Doch ist „Zurechtweisung“ im ursprünglichen Sinn eine Hilfe: Es gibt eine Weisung und zwar die rechte. Das ist zwar nicht unbedingt die, die man gerne hört. Aber die Weisung ist wahr und wesentlich Liebe. Die Suche und die Liebe der Frauen hat nicht einem Leichnam zu gelten, um ihn zu salben, sondern dem Lebenden. Das ist die Botschaft der Osternacht: >Er ist nicht hier<. Da möchte man fragen: Ja, wo ist er denn dann? Wir erwarten die Angabe eines Ortes. Das würde uns gefallen. Für‘s erste. Aber die Alternative zu >er ist nicht hier< lautet nicht: „Er ist dort“, sondern: Er ist auferstanden. Jesus ist nicht interessant als historische Figur oder als menschliche Idealgestalt, nicht als Traum oder Projektion oder Wunsch oder Lückenbüßer. Er ist der Lebende.
Neben ihrer Anfrage und ihrer Botschaft haben die zwei Männer auch noch einen Auftrag für die Frauen: >Erinnert euch<. Nicht nur an ihnen liegt es, zu verstehen und mitzukommen, sondern in ihnen. Er-innern sollen sich die Frauen. In ihrem eigenen Innern sollen sie nachschauen, dann werden sie wieder das Wort Jesu hören, es müsse sein, dass der Menschensohn übergeben werde, gekreuzigt werde, und dass er am dritten Tag auferstehe. Wie die Frauen haben wir es in uns, vielleicht tief im Innern, vielleicht überdeckt und verschüttet, so dass Erinnerungsarbeit nötig ist. Es braucht ein Innenleben, das mehr ist die Summe beliebiger Daten.
Bedenken wir unser Leben und wir sind dem Lebenden auf der Spur!
Es braucht Zeit, es gibt Rückschläge, Widerstände tun sich auf. Das geht schon bei den Aposteln an: Sie halten den Bericht der Frauen für leeres Geschwätz und glauben ihnen nicht. Wie mag es der Magdalenerin Maria, der Johanna und der Maria, der Mutter des Jakobus, gegangen sein, als sie sich bei den Aposteln eine Abfuhr holten? Wie es halt auch uns manchmal ergeht. Da ist noch Petrus. Von ihm heißt es, dass er aufstand, läuft, sich bückt, die Leinenbinden allein sieht und weggeht, das Geschehene bestaunend. Eine bescheidene Ausbeute für den Ostermorgen. Aber bedenken wir: Für ihre Osternummer hat eine liberale Hamburger Wochenzeitung auf der ersten von ganzen drei Seiten als Titelgeschichte wörtlich angekündigt: „Die erfolgreichste Geschichte der Welt. Sie waren kaum mehr als 20 Jünger, als ihr Anführer starb. Es wurden Milliarden Christen. Kaum zu glauben, wie aus einer kopflosen Sekte eine Hochreligion werden konnte“. Begonnen hat sie mit der Liebe und Treue einiger Frauen in Jerusalem vor ca. 1990 Jahren. Heute ist der Lebende unter uns. Er ist auferstanden und wir erinnern uns daran. Amen.
Sie haben Fragen zum Artikel?
Wir helfen Ihnen gerne.

Josef Fischer
Direktor Haus der Begegnung HEILIG GEIST i.R.