Sonntagsimpuls

Predigt von DK em. Josef Fischer zum 23. Sonntag im Jahreskreis

Heilig Geist Burghausen HDB am 05.09.2022

Eine Menschenmasse hat etwas Prickelndes, aber auch Gefährliches. Sie zieht die Einzelnen an und gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit, sie kennt aber auch den Mitläufer. Die Menschenmasse begünstigt den Zug zum Massenmenschen, der seine Identität und Persönlichkeit verliert.

Nun tritt heu­te Jesus auf und >mit­zo­gen mit ihm vie­le Leu­te< (25). Auch Schwär­me­ri­sche und Ver­führ­ba­re hän­gen sich an Jesus. Sie wis­sen, da ist für mich was drin, da geht was her, da schaut was raus für mich, da bin ich gleich dabei, nix wie hin, da lauf ich mit“. Der ver­ständ­li­che Wunsch nach Unter­halt und Unter­hal­tung hat Leu­ten immer schon Bei­ne gemacht. Im alten Rom haben die Herr­scher ver­stan­den gehabt, dass das Volk Brot und Spie­le wünscht und dann Ruhe gibt. So hält man es bei Lau­ne und sich sel­ber an der Macht. Ver­ständ­lich, wie gesagt, aber gefähr­lich für die Men­schen, für die Mas­sen wie für die Mächtigen.

Im Gegen­satz zu den Stars alter und neu­er Zeit ist Jesus an Mas­sen und Mit­läu­fern nicht inter­es­siert. Sie wol­len sich auf sei­ne Kos­ten bil­lig bedie­nen, er aber will ihnen in echt und zu einem für ihn teu­ren Preis die­nen. Er hat den Men­schen im Blick. Dar­um >wen­det er sich um und sagt ihnen< (25) schein­bar (!) nicht das Rech­te. Er, dem eine graue Mas­se folgt, wen­det sich an den kon­kre­ten Ein­zel­nen. Auch Pau­lus macht sich in der zwei­ten Lesung die Mühe und schreibt einen Brief an einen Ein­zel­nen, an Phi­le­mon. Jesus sagt: >Wenn einer zu mir kommt< (26) und mein Schü­ler wer­den will, dann soll er zuerst sei­ne Haus­auf­ga­ben gemacht haben. Er soll gelernt haben oder ler­nen, ob er das rech­te Maß an Nähe und Distanz gefun­den hat zu Vater und Mut­ter, zu sei­nem Part­ner oder sei­ner Part­ne­rin, zu sei­nen Kin­dern, zu sei­nen Brü­dern und Schwes­tern, nicht zuletzt zu sich selbst. Ob der Abstand lebens­för­der­lich ist, ob mit ihm auch die ande­ren selb­stän­dig wer­den kön­nen, ob er einen für alle hilf­rei­chen Platz unter sei­nen Lie­ben ein­ge­nom­men hat, das alles soll er ler­nen. >Wenn einer zu mir kommt<, dann soll er sich die Fra­ge gefal­len las­sen: Was willst du? Was kannst du? Zu was bist du fähig? >Wenn einer zu mir kommt<, dann sage ich ihm: Du musst dei­nen Weg suchen und dei­ne Lebens­auf­ga­be fin­den, du wirst nicht fremd­be­stimmt blei­ben, son­dern selb­stän­dig wer­den, du musst, auch wenn’s schwer wird, durch, du sollst wis­sen, wer du bist und was du gelernt hast in dei­nem Leben. >Die Men­schen lern­ten< (18), haben wir aus dem Buch der Weis­heit gehört.

>Wenn einer zu mir kommt< dann muss er sei­ne Haus­auf­ga­ben gemacht haben im Hin­blick auf sei­ne nächs­ten Ange­hö­ri­gen, >wenn einer zu mir kommt<, dann muss er um sei­nen Schwach­punkt wis­sen, um sein Kreuz, und an ihm arbei­ten und sicher auch an ihm lei­den. Denn wer um sei­ne Schwä­che weiß, sie be-arbei­tet“ und er-lei­det“, dem kann sie zum Segen und zum Heil wer­den, zum Glück und zum Erfolg. >Wenn einer zu mir kommt<, dann sieht er sein Hab und Gut so, dass er weiß, ob gut ist, was er hat.


Nun sagt aber Jesus wört­lich: >Wenn einer zu mir kommt und nicht hasst< oder abge­mil­dert in der Über­set­zung: >gering ach­tet<. Jesus will gehört und ver­stan­den wer­den. Sei­ne Wort­wahl ist nicht weich­ge­spült, sie ist dras­tisch und zuge­spitzt, ja über­spitzt und ins Maß­lo­se getrie­ben, jemand kann sagen: ori­en­ta­lisch über­trie­ben. Man kann sich an ihr ver­let­zen. Jesus aber geht es um wirk­lich gelin­gen­des Leben für jeden ein­zel­nen Men­schen in der Gemein­schaft mit ihm. Wer sich an sei­ner Tour betei­ligt, der geht mit ihm über Stock und Stein, über Ber­ge und durch Täler, der braucht einen brei­ten Buckel und ein tap­fe­res Herz. Wie aber jeder Auf­stieg Ener­gie kos­tet, so bringt er auch Ener­gie, kennt die Momen­te des Glücks und der Selig­keit, die Erfül­lung. Weil Jesus am wah­ren Wachs­tum gele­gen ist, ver­schweigt und erspart er Lei­den nicht.

Jesus macht nie­man­dem Kon­kur­renz und unter­liegt kei­ner Kon­kur­renz. Sein Wer­ben um den Men­schen ist kon­kur­renz­los. Wer sich ihm anschließt, fin­det das Glück, wie er es bei nie­man­dem sonst fin­den kann. Wer sei­ne Bezie­hun­gen ord­net, wer sei­ne Haus­auf­ga­be gemacht hat und zu Jesus kommt, der kann sein Schü­ler wer­den. Statt Schü­ler steht frei­lich im Text ein ande­res Wort: Jün­ger. Also: Wer wirk­lich hin­ter Jesus her­geht, der wird zwar auch täg­lich älter, aber eigent­lich jün­ger. Jün­ger wer­den heißt das Pro­gramm.
Amen.


Weish 9, 13 – 19; Phlm 9b-10;121 – 17; Lk 14,2533

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