“Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir”. Jesus zitiert damit den Propheten Jesaja (29,13). „Hand aufs Herz“: Dieses Wort ist mir dazu eingefallen und hat sich bei mir festgesetzt. „Hand aufs Herz“ ist Einladung und Aufforderung zur Ehrlichkeit. Es wehrt der Lüge, der Intrige und der Heuchelei. Vor allem aber will es hilfreich sein. Oft wird es anderen gegenüber ausgesprochen. Sinnvoll wäre es, damit sich selbst einen Ruck zu geben: Stimmt mein Handeln mit meinem Herzen überein? Der wörtliche Sinn dieses geflügelten Worts besagt ja: Kommt das, was meine Hand tut, aus meinem Herzen? Herz aber, im jüdisch-christlichen, im biblischen Sinn, meint die Übereinstimmung von Gemüt, Verstand und Willen.
Ich bin gut beraten, um mein Herz zu wissen. Inwieweit greifen Gemüt, Verstand und Willen ineinander – wie ein System von Zahnrädern? Kenne ich mich selbst? Weiß ich um das zutiefst Menschliche in mir? Auch um meine verborgen wirksame Gefährdung? Wohin es mich zieht, wann ich wirklich froh und frei bin, wie das, was ich sage und was ich tu, mit dem, was ich fühle, denke und will, zusammenpasst: Das gilt es, im Lauf eines langen Lebens herauszubringen. Zum eigenen Glück und zum Glück anderer. Darum darf ich mir jederzeit mit der Aufforderung des griechischen Philosophen sagen lassen: „Erkenne dich selbst!“. Kritisch ist es freilich geworden, wenn ich gesagt bekomme: „Du, kenn‘ dich wieder!“. Wenn ich eine wohltuende und heilsame Grenze verletzt und überschritten habe, kenne ich mich also nicht mehr, weiß ich nicht mehr, wer ich bin. Dann ist der Weg zum Unglück nicht mehr weit. Das erfahren wir nicht nur im persönlichen, sondern auch im politischen Bereich derzeit mehr als genug.
Groß ist die Gefahr, dass Herz und Hand auseinanderfallen, in der Welt der Anschauungen und der Religion. Jesus stellt fest: Da machen sie ein heiliges Geschrei und ein frommes Getue und lärmen Gott die Ohren voll. Da werfen sie Scheinprobleme auf und entfernen sich von Gott und Menschen. Ihr Herz ist weit weg. Es ist ein Religionsersatz, wenn sie sich wie zwanghaft die Hände waschen und das Geschirr zu Tode spülen. Verliebt in allerlei Tüfteleien und in hausgemachte Ausführungsbestimmungen vergessen sie völlig meinen Willen:
Die Wahrheit und die Liebe tun. Ich habe Jesus ein wenig interpretiert. Gerade im Glauben und gerade heute geht es um Aufrichtigkeit und Eindeutigkeit. Dass es gerade damit seine gar nicht liebe Not hat, davon rührt ein guter Teil der Kirchenkrise her. Schon im alten Israel hat es das Buch Deuteronomium gebraucht mit seiner Mahnung: “Hört, und ihr werdet leben” (4,1). Dazu schärft uns der Jakobusbrief ein: “Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst”(1,22).
Auch in der Feier der Eucharistie werden nach dem Heiligen Mahl die Gefäße gespült und gereinigt. Das gehört sich. Punkt. Aber das Wesen der Heiligen Messe besteht nicht in der Reinigung der Gefäße, die die heiligen Gaben enthalten. Es besteht darin, dass wir mit Christus selber zu einer Gabe werden, brauchbar für den Dienst an Welt und Menschen. Unsere Gabe, die uns selber meint, soll so zur Hin-Gabe werden, zur reinen Gabe, zur Liebesgabe. Wer seine “Hand aufs Herz” legt und zu sich sagt: “erkenne dich selbst”, der wird die Wahrheit des Lebens in Liebe tun. Amen.
Josef Fischer, DK i.R.