Wenn man in der Schule einen komplexen Text behandelt, dann gibt man den Schüler:innen Tipps an die Hand wie sie sich diesem nähern können. Markiert euch die wichtigen Passagen, unterstreicht euch essenzielle Begriffe und versucht diese für euch zu klären.
Drei solcher Begriffe möchte ich aus dem Evangelium (Joh 17,20-26) herausnehmen: Herrlichkeit, Einheit und Liebe.
“Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast”, sagt Jesus. Was genau soll denn das bedeuten? Was ist denn diese Herrlichkeit? Denn das Wort Herrlichkeit selbst, verwenden wir in unserer Alltagssprache eher weniger. ‚Herrlich’ als Adjektiv schon eher, wenn wir zum Beispiel das herrliche Wetter beschreiben oder von den herrlichen Speisen sprechen, wenn uns etwas ganz besonders gut geschmeckt hat. Die Herrlichkeit Gottes bezeichnet aber seine sichtbare oder erfahrbare Gegenwart, seine Größe, Macht, seine Heiligkeit und Majestät. In der hebräischen Bibel ist “Kabod” das zentrale Wort, wörtlich übersetzt mit “Gewicht” oder “Bedeutung”. Es drückt die überwältigende Gegenwart Gottes. Sozusagen der absolute Wow-Moment, wo wir eigentlich keine Worte mehr dafür haben, weil die Vorstellung von Gott unser menschliches Wesen übersteigt. Aber, wir haben die gleiche Herrlichkeit bekommen, die auch Jesus bekommen hat — wir dürfen also schon uns selbst, unser Dasein als Wow-Moment bezeichnen. Wir haben Anteil an Gottes Wesen. Gleichwenn, wir noch nicht in der Vollendung dieser Herrlichkeit stehen. Denn Herrlichkeit ist gleichzeitig auch das Ziel der Schöpfung: Alles soll zur Verherrlichung Gottes dienen, so heißt es im Römerbrief.
Herrlichkeit bedeutet also Gottes äußeres Wesen mit all seiner Pracht, aber zugleich auch Ausdruck seines innersten Wesens.
Als nächstes begegnet uns der Begriff Einheit. Es ist das zentrale Anliegen Jesu im sogenannten hohepriesterlichen Gebet, das uns im 17. Kapitel des Johannes Evangeliums geschenkt ist. Das Johannesevangelium, so geht die Forschung momentan davon aus, ist etwa 100 nach Christus entstanden. Bemerkenswert also, dass schon zu dieser Zeit wohl die Einheit ein wichtiges Thema war. Denn wir dürfen davon ausgehen, dass sich der Evangelist Johannes alles wohl überlegt hat — jedes Wort genau gewählt und an seinem richtigen Platz ist. Wenn wir in die Kirchengeschichte schauen, dann wissen wir, dass es um die Einheit der Christen nicht immer gut bestellt war. Da gab es kleinere und große Spaltungen, die bis heute prägend sind. Wir wissen auch, dass heute die Einheit immer wieder bedroht und angefragt ist. Nicht zuletzt durch den “synodalen Weg” ist das auch bei uns ins wieder ins Bewusstsein gerückt. Papst Franziskus hat dieses Prozess des miteinander Gehens angestoßen, Papst Leo der XIV hat die Einheit sogar in seinem Wappen stehen.
Aber wie kommen wir nun zu der Einheit? Wenn wir auf die Verbindung zwischen Jesus und seinen Vater schauen, so sagt er, und wir uns darin eingeschlossen wissen. Als Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und mit Gott — gestiftet durch den Heiligen Geist, wenn wir das Pfingstfest nächsten Sonntag schon vorwegnehmen. Die Einheit ist kein bloßes organisatorisches Einvernehmen, sondern eine geistliche Realität, die aus Gottes Wesen hervorgeht. Einheit bedeutet nicht Uniformität und dass alles gleich sein muss, nein, Einheit ist immer Vielfalt, sie bedeutet versöhnte Verschiedenheit.
Und dann bleibt natürlich noch die Liebe. Sie ist das zentrale Wesen Gottes — “Gott ist die Liebe” (1 Joh 4,8). Die höchste Form der Liebe — Agape — ist die eine, sich selbst hingebende, selbstlose Liebe, die ihren Höhepunkt im Kreuzestod Jesu findet. Dieses Gebet, das wir von Jesus gehört haben, spricht er kurz bevor diese Liebe ihre Vollendung findet. Er weiß, was kommen wird und so bittet er für uns in dieser und für diese Liebe. Die Liebe, sie ist sowohl Gottes Handeln an uns als auch unsere Antwort auf Gott und unsere Mitmenschen. Sie ist das höchste alle Prinzipien, sie relativiert alle anderen Gebote und sie erfüllt sie zugleich. Sie ist das Ziel aller christlichen Existenz (vgl. 1 Kor 13).
Und dann möchte ich diese drei Begriffe noch um einen weiteren Ergänzen, den der Frigidärpastoral. Nein, das steht natürlich nicht im Evangelium — und das ist auch kein geläufiger Begriff. Frigidärpastoral meint Kühlschrankseelsorge. Max Angermann erklärt ihn damit, dass die Glaubensinhalte einem Eisblock gleichen, kalt und hart, in einem Festhalten an starren Formen, ein Pochen auf Amtsautorität und Recht. Dabei laufen die, die dann in dieser Weise Seelsorge betreiben, kalt und unnahbar werden und eher abschreckende Wirkung haben als noch in irgendeiner Weise anziehend zu sein.
Mir gefiel dieser Begriff Frigidärpastoral irgendwie, aber nicht in dieser negativen Weise. Und weil es kein feststehender Ausdruck ist, habe ich mir erlaubt ihn für mich positiv umzudeuten.
Wenn ich zuhause meinen Kühlschrank öffne, dann weiß ich, dass ich großes Glücke habe, dass der praktisch immer voll ist — aber das ist nicht das Thema. Also wenn ich den öffne, dann kann ich mir wirklich denken — herrlich, was da alles drin ist. Und dann sind meinem Kühlschrank keine Eisblöcke, sondern Dinge, die für mein Leben essenziell sind. Dinge, die ich wirklich brauche. Dinge, die dadurch, dass sie im Kühlschrank sind, länger frisch bleiben, haltbar bleiben. So ist das für mich auch für meinen Glauben, er ist essenziell für mein Leben. Ich brauche das, dass ich auf eine Fülle zugreifen kann. Und da gibt es Dinge, die mir mehr schmecken als andere und auch nicht jeder Tag ist gleich.
Da sind Dinge in meinem Kühlschrank, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber sie haben alle ihren Platz. Der Kühlschrank gibt ihnen nur einen guten Rahmen, sie dürfen trotzdem so bleiben wie sie sind. Denn gerade die Vielfalt macht’s. Und da ist noch Luft und Platz für mehr.
Diese Speisen in meinem Kühlschrank stammen letztlich alle aus der unverfügbaren Liebe Gottes zu seiner Schöpfung. Klar hat sie jemand angebaut, geerntet, weiterverarbeitet, aber der Ursprung ist nicht menschgemacht. Wenn ich nun etwas herausnehme, weiterverarbeite und mit anderen zusammenesse, dann bleibt das nicht im Kühlen bewahrt, sondern dann geht das weiter.
Und so wünsche ich uns allen, dass wir — trotz allem Energiebewusstsein — unseren Glaubenskühlschrank offenstehen lassen können, damit nicht nur wir zugreifen können, sondern sich die Energie weiterträgt, damit das Gebet Jesu nach Herrlichkeit, Einheit und Liebe nicht nur frommer Wunsch bleibt, sondern die treibende, frischbleibende Kraft in uns.
Rebekka Redinger-Kneißl, Direktorin